Freitag, 11. Juni 2010

8. Mein Onkel kommt zu Besuch

In Ghana ist Heute Feiertag (Union Day), da keine Schule ist können Pia und ich keinen Workshop leiten. Ich entschließe mich stattdessen zu Hause am Computer zu arbeiten. Plötzlich ruft mein Onkel an. Er ist mit zwei Kollegen auf dem Weg nach Elmina, sie möchten Elmina Castle und den Kakuum National Park besuchen und er fragt mich ob ich am Nachmittag Zeit hätte mit ihnen zum Kosa Beach zu kommen. Freudig überrascht sage ich natürlich zu und gegen 3Uhr Nachmittags kommen sie tatsächlich, um mich abzuholen. Als ich zum vereinbarten Treffpunkt gehe, sehe ich den großen Geländewagen schon von weitem und bin überrascht zwei weiße Männer daneben stehen zu sehen. Normalerweise verlaufen sich keine Touristen nach Komenda und ich frage mich ob dies das richtige Auto sein kann. Als ich beim Jeep ankomme steigt aber doch noch mein Onkel aus, begrüßt mich herzlich und stellt mich seinen beiden kanadischen Kollegen vor. Die zwei stehen in Shorts und Sonnenbrille von mir, einer der beiden telefoniert, der andere hat sein ipod noch in den Ohren. Mit einem uncharmanten starkem kanadischen Akzent begrüßen auch sie mich. Gemeinsam steigen wir ein und ich sitze zwischen den beiden auf der Rückbank. Das Auto ist unheimlich kühl, ich frage mich wann ich zum letzten mal eine solche frische gespürt habe. Felix, der Fahrer von meinem Onkel sitzt am Steuer und grüßt mich in lupenreinen English ohne ghanaischen Akzent. Die beiden Kanadier fangen ein Gespräch an und es stellt sich heraus, dass Shane Heavy Metall Fan ist und in einer Band singt. Jetzt bemerke ich auch die beiden Tatoos, die auf seinem Ober- und Unterarm tätowiert sind. Er erzählt mir wie gern er diese Jahr zum Metall Festival nach Wacken? in Deutschland gekommen wäre und Steven der sein Ipod über Funk ans Autoradio angeschlossen hat, macht gleich mal ein bißchen Pop/Rockmusik an. Phoenix läuft im Radio, mir ist kalt von der Aircondition, ich sitze zwischen zwei weißen Kanadiern, wir haben einen Privatfahrer und ich komme mir reichlich komisch vor, in dieser Umgebung und Gesellschaft. Normalerweise reise ich in überfüllten, heißen, manchmal stinkenden Tro Tros, höre High life oder Predigten im Radio und bin den ganzen Tag umgeben von Ghanaern.

Am Strand angekommen entledigen sich die beiden sofort ihrer Klamotten und laufen in die hohen Wellen des Atlantiks. Ich selber habe keine Badesachen mitgenommen und setzte mich mit meinem Onkel in das Strandrestaurant. Ich frage ihn über seiner Arbeit in der Gold- und Diamantenmine aus. Er erzählt mir, dass er für eine kanadische und australische Firma arbeitet. Die Mitarbeiter seien alle Ghanaer, jedoch kommen regelmäßig Spezialisten aus den Ländern des Firmensitzes, um die Arbeit und Abläufe zu überprüfen und zu optimieren. Shane und Steven kommen wieder dazu und setzen sich ganz ungeniert nur in Badehose bekleidet mit an den Tisch. Ihre weißen pickligen Oberkörper scheinen geradezu in der Sonne zu strahlen. Einer der beiden hat sich eine blutende Schnittwunde am Knie zu gezogen, weil er von einer Welle gegen die Steine geschleudert wurde. Ich berichte ihnen, dass letztes Jahr an diesem Strand ein 19 jähriger Junge aus Komenda, in Begleitung von AIM. Volontären, seinen Kopf an den Klippen aufgeschlagen hat und ertrunken ist. Ich hoffe sie gehen nächstes mal nicht so leichtsinnig tief ins Wasser und nah an die Klippen.
Die beiden sind ebenfalls Geologen und 9 von 12 Monaten im Jahr unterwegs, um Gold und Diamantenminen in den unterschiedlichsten Ländern der Welt zu überwachen. Sie bleiben 4 bis 8 Wochen in einem Land, leben in Camps bei den Minen und arbeiten 7 Tage die Woche, weil sie in der kurzen Zeit enorm viel schaffen müssen. Jetzt verstehe ich warum sie weder genug Interesse noch ausreichend Zeit zu haben scheinen, um sich ein wenig an die Kultur anzupassen. Wenn ich alle 6 Wochen woanders wäre und dort den ganzen Tag arbeite, würde sich bei mir vielleicht auch eine gewisse Ignoranz einstellen. Auf diese innere Erkenntnis von mir folgend, steckt sich Shane erstmal eine Zigarette an und ich schäme mich regelrecht mit den beiden am Tisch zu sitzen. Rauchen ist in Ghana mehr als unüblich und wird überhaupt nicht gern gesehen. Die beiden plaudern noch mehr über ihre Arbeit und ich bin tatsächlich beeindruckt wo sie schon überall gewesen und was sie erlebt haben. Trotzdem würde ich um nichts in der Welt mit ihnen tauschen wollen. Als ich ihnen erzähle was ich mache und wie ich wohne, sind beide schockiert. "Wie mit Eimer duschen?! Aber ein Ventilator ist doch keine Aircondition, wie schläfst du denn nur Nachts bei der Hitze?!" Ehrlich gesagt bin ich sehr stolz und froh überhaupt einen Ventilator zu haben und merke das wir zumindest momentan (und wahrscheinlich auch sonst) aus völlig verschiedenen Welten kommen.

Auch mein Onkel ist sehr häufig unterwegs, er reist allerdings viel innerhalb Ghanas. Meine Tante ist darüber nicht sehr glücklich und hätte ihn lieber öfter zu Haus, gleichzeitig möchte sie aber auch nicht auf das Geld verzichten was er mit seinem Job verdient. So höre ich es jedenfalls von Sam.
Am späten Nachmittag essen wir zu Abend und bekomme meine ersten Pommes seit über sechs Wochen. Kosa Beach ist an diesem Tag relativ gut besucht und viele Touristen sind da. Ich sitze am Tisch mit meinem Onkel, zwei Kanadiern und einem Fahrer, schaue mich um und sehe nur Weiße und fühle wie der Kulturschock umgekehrt auf mich zu wirken scheint. Ich fühle mich irgendwie unwohl und fehl am Platz, genieße aber gleichzeitig den Komfort. Wirklich ein schön komischer und schwer zu beschreibender Nachmittag. Kurz bevor wir gehen kramt Sam in seiner Tasche herum und zieht seine Hand mit einem Vodafone Internet Stick wieder heraus. "Hast du denn bei dir Internet?" fragt er mich. "Hier den hab ich noch über. Brauch ich nicht mehr, hab mir einen anderen gekauft." sagt er und überreicht mir den heiligen Gral der Auslandskommunikation. Die Sticks Kosten umgerechnet ca. 30Euro und man kann sie wie eine Handykarte ganz einfach mit Geld aufladen und browsen. Überall habe ich nach solch einem Teil gesucht, denn Internetverbindung  und Strom fallen in Komenda eigentlich jeden Tag für längere Zeit aus. Außerdem dachte ich wenn ich später Reise, kann ich egal wo ich bin mobil und unabhängig von Cyber Cafes ins Internet. Ich kann mein Glück und die Großzügigkeit meines Onkels gar nicht fassen und freue mich jetzt schon den Stick zu Hause auszuprobieren.
Mal wieder erfüllt von den verschiedensten Eindrücken komme ich nach Hause, in mein kleines Zimmer ohne Aircondition. Laufe durch die Dunkelheit, dusche mich mit meinem kleinen Eimer und fühle mich sehr zufrieden und wohl dabei.


Nachtrag: Der Stick hat mir, wie ihr vielleicht die letzten zwei Wochen bemerkt habt, nicht sehr viel gebracht. In Komenda bekomme ich mit vodafone leider keine Verbindung, aber auf reisen kann ich ihn trotzdem gut gebrauchen. Heute habe ich mich einen weiteren von MTN gekauft und dieser läuft nun auch endlich, zwar langsam aber einwandtfrei.

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