Es ist soweit, meine Zeit bei AIM. ist nach drei Monaten vorbei. Pia und ich haben das Youth Magazine Projekt erfolgreich abgeschlossen. Ich gehe mit dem guten Gefühl mein Ziel erreicht und etwas sichtbares hinterlassen zu haben. Die Schüler waren so glücklich das Ergebnis unser aller Arbeit in den Händen zu halten und ihren Freunden und Eltern endlich zeigen zu können, für was sie die letzten Monate gearbeitet haben. Auch die Auflage von 750 Stk. und der Verkauf auf dem Elmina Bakatue Festival machen uns alle Stolz, denn viele Leute werden unsere Zeitung nun lesen und auf unser Projekt aufmerksam gemacht. Es haben sich sogar schon weitere Schulen gemeldet, die unbedingt beim nächsten Magazin mitmachen wollen. Es ist sehr schön zu diesem Erfolg beigetragen zu haben und ich werde viele gute Erinnerungen daran und vor allem wertvolle Erfahrungen mit nach Hause nehmen. Mir hat die Arbeit mit den Jugendlichen großen Spaß gemacht und auch die Zusammenarbeit mit Pia verlief reibungslos. Die Inhalte der Zeitung sind gut geschrieben und für die Jugendlichen und die Region wichtige Themen werden kritisch behandelt. Ich bin wirklich glücklich darüber ein Teil dieses Projektes zu sein und bereue nicht meine Entscheidung, bei AIM geblieben zu sein. Seit meine Arbeit getan ist, bin ich aber auch froh AIM. verlassen zu können und mich nicht mehr mit den Organisationsproblemen und Jörn rumschlagen zu müssen. Ich habe das gute Gefühl frei von Erwartungen zu sein und Ghana nun als Reisende erfahren zu können.
Trotzdem ist es natürlich traurig sich zu verabschieden und Komenda, das gerade eben erst mein neues zu Hause geworden ist, wieder zu verlassen. Als ich mein Zimmer aufräume und meinen Rucksack packe, wird mir Bewusst wie schnell doch die Zeit vorbei gegangen ist. Ich habe den Eindruck gerade erst angekommen und ausgepackt zu haben und erinnere mich an meinen ersten, etwas geschockten Eindruck, als ich den Hof und den Raum zum ersten Mal betreten habe. Wenn ich mich jetzt umsehe, ist es nicht mehr fremd oder komisch sondern einfach nur mein Zimmer. Ich habe es mir gemütlich gemacht und gern hier gewohnt. Besonders meine Nachbarn werde ich vermissen und das ständige, sehr kommunikative Miteinander wird mir fehlen. Es war immer jemand da, ich war von Kindern, Tieren und Geräuschen umgeben und jeder wusste wo man war oder was der andere gerade macht. Was ich anfänglich als anstrengend, teilweise stressig oder einengend empfunden habe, stellt sich für mich nun als ganz normal und angenehm dar. Auch der Verzicht auf jeglichen Komfort wird mir nur noch in Momenten bewusst, in denen ich ihn plötzlich für einen kurzen Augenblick wieder habe. Zum Beispiel wenn ich einen Raum mit AirCondition betrete, merke ich erst wie heiß mein Zimmer eigentlich ist oder wenn ich in einem Restaurant Pizza esse (war leider nur einmal) fällt mir wieder ein was für leckere Dinge ich in Deutschland essen kann. Es überrascht mich wie schnell man sich an bestimmte Gegebenheiten gewöhnen kann und sie als normal hinnimmt, selbst wenn sie völlig konträr zu dem Leben sind das man vorher geführt hat. Natürlich wird alles wieder dadurch relativiert, dass ich mich mit dem Bewusstsein der Situation angepasst habe nur 3 bzw. 4 Monate hier zu verbringen und die Entbehrungen nur auf Zeit stattfinden. Jetzt kann ich jedoch sagen, dass der sogenannte "Verzicht" vielmehr ein "Gewinn" an Eigenschaften wie Erfahrung, Toleranz, Geduld oder wie man so schön sagt "kulturellen Kompetenzen" ist. Es gibt Dinge die man nur lernt und erfährt wenn die üblichen Mittel und Dinge, die einem zu Hause als Selbstverständlich erscheinen, nicht mehr zur Verfügung stehen und alles auf das man sich vorher verlassen konnte anders ist. Ich glaube hier ein ganzes Stück erwachsener geworden zu sein, denn zum ersten Mal habe ich das Gefühl tatsächlich 26 zu sein und es ist nicht mehr nur eine abstrakte Zahl für mich, während ich mich eigentlich immer noch wie 19 fühle. Der Versuch sich in eine andere Kultur einzugliedern, aber dabei die durch die eigene Kultur entstandene Werte zu erhalten, ist nicht immer einfach. Es gibt viele Dinge die man nicht ändern kann, bei denen man noch nicht mal seinen Unmut über die Situation ausdrücken kann, weil man dazu einfach nicht befugt (z.B. Aufgrund von Alter oder Geschlecht) ist. Bei vielen schleicht sich dann eine gewisse Gleichgültigkeit ein, die in meinen Augen falsch ist. Auch wenn wir nicht hier sind um zu missionieren und unsere Lebensweise auf die Ghanaer zu übertragen, sondern wir es sind die lernen, sind manche "deutsche Tugenden" oder westliche ethische Grundsätze, es Wert verteidigt und laut ausgesprochen zu werden, um vielleicht bei wenigen eine Veränderung im Denken und Handeln, bei bestimmten Dingen zu bewirken. Aber auch die eigenen Grundsätze und Einstellungen verändern sich, da man nun in der Lage ist die Dinge in einem größerem oder anderem Zusammenhang zu betrachten. Vieles wird dadurch relativiert und ich betrachte einiges jetzt mit mehr Gelassenheit.
Für mich ist das Erfahren der ghanaischen Kultur natürlich besonders spannend und bereichernd, weil mein Vater aus Ghana stammt. Viele Eigenschaften die ich vorher seiner Person zu gesprochen habe, stellen sich nun als kulturbedingt heraus. Es ist interessant zu merken, dass vermeintliche Charaktereigenschaften einer einzelnen Person, eigentlich bedingt durch sein Herkunftsland sind. Gleichzeitig merke aber auch ich, wie deutsch ich bin und dass ich auf gewisse Dinge wie Pünktlichkeit, Ordentlichkeit oder Zuverlässigkeit auf Dauer nicht verzichten möchte.
Die negativen Erfahrungen die ich hier mit der Organisation gemacht habe möchte ich im Nachhinein nicht missen. Ich habe viel daraus über mich und andere, aber auch über die Strukturen und Probleme einer NGO gelernt, die auch in vielen anderen Firmen entstehen können. Ich denke außerdem man lernt mehr beim bewältigen von Problemen, als wenn alles immer läuft wie am Schnürchen und dass kann man hier nun wirklich nicht behaupten.
Aber zurück zu den Tatsachen, als Abschiedsgeschenk habe ich für alle meine Nachbarn und neu gewonnen Freunde, Fotos ausgedruckt. Als ich die Bilder verteile sind alle ganz aus dem Heußchen. Besonders Cecilia kann gar nicht aufhören ihr Foto anzustarren und es allen zu zeigen. Da ich weiß, dass ich im August mit meiner Mutter nach Komenda zurückkehren werde, fällt mir der Abschied nicht ganz so schwer wie erwartet. Außerdem fühle ich mich Urlaubsreif und will unbedingt mehr von Ghana sehen und meine Familie kennenlernen.
Hier ist es Tradition, dass der Abreisende Freiwillige eine Abschiedsparty gibt. Ich erfahre das von Jörn, wie sollte es anders sein, am Tag vor meiner Abreise. Gott sei Dank nicht so schlimm weil, ich eh eine kleine Verabschiedung im Anadwe Yede Spot in Komenda geplant habe. Nachdem Kukua mir noch ein letztes Mal mein Lieblingsessen gekocht hat (Yam und Plantain mit rotem Stew mit Garden Eggs und dazu Ei) gehen wir gemeinsam zum Spot, wo schon einige Gäste auf mich warten. Eingeladen habe ich die AIM. Mitglieder (sogar Jörn) und einige Nachbarn und Freunde. Es kommen fast alle und besonders freue ich mich über Patience (die Schneiderin), die mit ein paar ihrer Kolleginnen kommt. Sie hat einen kleinen Sohn und ich dachte, dass sie wie die meisten meiner älteren Nachbarn nicht kommen würde, weil es zu spät bzw. schon dunkel ist. Wir trinken und unterhalten uns nett und ich höre sehr oft "I will miss you Steph!" Alle trinken Star Bier und ich Smirnoff Ice, aber Hanna und Pia haben zur Feier des Tages sogar Sekt besorgt. Die Laune steigt (mit dem aber immer noch geringen) Alkoholpegel und nachdem Jörn das Fest früh verlässt, ist die Stimmung um so besser. Ausgelassen tanzen und singen wir zu ghanaischen Popsongs und jetzt werde auch ich ein bisschen schwermütig, denn dies wird wohl das letzte Mal sein, dass wir in dieser Runde zusammen kommen. Auch Patience tanzt ausgelassen mit uns und ich glaube sie ist sehr froh mal wieder einen Abend ohne Kind zu sein und tanzen zu können. Gegen 11 Uhr ist die Party zu Ende (ich weiß da geht ihr erst los) und ich bezahle für ca. 10-15 Leute 30 Cedi (15Euro) für die Getränke. In Deutschland würde das nicht mal einen Abend für mich selbst reichen.
Gemeinsam gehe ich mit den letzten Gästen nach Haus. Es ist dunkel, der Vollmond scheint, viele kleine blinkende Glühwürmchen leuchten uns den Weg, die Grillen zirpen und Frösche quaken und in der Ferne höre ich das Meer rauschen. Francis nimmt mich an die Hand und ich weiß ich werde Komenda, die Menschen und mein Leben hier sehr vermissen.
Leider die Kamera mal wieder viel zu spät raus geholt:
Mittwoch, 21. Juli 2010
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